High School Kanada: Erfahrungsberichte

Vorname:
Alexandra
Alter:
17
aus:
Berlin
Schultyp:
Staatliche Schule mit Wahl

Hier der Bericht von Alexandra:

 

Was waren für dich die drei größten Unterschiede zwischen Zielland und Deutschland?

Der größte Unterschied waren vermutlich die öffentlichen Verkehrsmittel: Wenn man, als Hauptstadtkind, verwöhnt von unserem Bus-, sowie U- und S-Bahnsystem nach Vancouver kommt, muss man sich erstmal daran gewöhnen, dass keine Pläne an den Haltestellen hängen –denn, kein Wunder, der Bus kommt sowieso relativ wahllos – und auch dass die Stationen nur angesagt werden, geht in lauter Busgemeinschaft natürlich manchmal ein wenig unter. Andererseits kann man den Busfahrer auch immer nach Hilfe fragen, bedankt sich immer schön beim Aussteigen und es kann auch schon mal vorkommen, dass man nach der Schule an einen besonders (anstrengend) gut gelaunten Fahrer gerät, der den ganzen Bus mit Quizfragen unterhält.

Weiterhin war das Schulsystem sehr anders und gewöhnungsbedürftig. Auch der hohe Asiatenanteil, besonders in Vancouver, ist zuerst sehr ungewohnt, und man muss sich im Klaren sein, dass auf den meisten Schulen mehr als 60 % der Schüler asiatischen Ursprungs sind. Teilweise ist es sehr schwer in solche Gruppen hineinzukommen, vor allem weil meist nur in der Muttersprache geredet wird, auf der anderen Seite sind dann aber gerade die ebenfalls etwas „fremden“ Mitschüler besonders hilfsbereit und schließen dich ohne zu zögern in ihr Herz.

Woran denkst du als erstes, wenn du an deinen Auslandsaufenthalt denkst?

Viele neue Erfahrungen, Menschen, die erst so fremd, jetzt zu meinen besten Freunden zählen, neue Ansichten, eine zweite Familie, eine Schule, die mir mit ihren Lehrern und Schülern ans Herz gewachsen ist – all das sind Sachen, die mir einfallen, wenn ich an dieses aufregende, aber manchmal auch schwere Jahr meines Lebens zurück denke.

Bevor ich nach Kanada kam, hatte ich mir nicht vorstellen können, dass ich noch so viel dazu lernen würde, über andere Kulturen mit anderen Menschen, anderen Schulsystemen oder auch einfach anderen Straßenschildern, und auch über mich selbst. Ich erinnere mich, wie ich Monate vor dem Abflug mit meinen Freunden zusammen saß und wie das große schwarze Loch, das Schuljahr 07/08, mein AUSTAUSCH in Kanada mit jedem Schluck den ich von meinem überteuerten Starbucks-Kaffee nahm, näher und näher kam.

Auf einmal geht alles sehr schnell: Der Tag des Abfluges ist da und plötzlich findet man sich am Vancouver Flughafen wieder und umarmt seine neuen Gasteltern. Dann kommen die Orientierungsveranstaltungen, die erste Schulwoche, Eingewöhnen bei der Gastfamilie, die noch ungewohnten Treffen mit neuen Freunden, und eh man sich’s versieht, sind die ersten drei Monate rum und man hat das Gefühl, die Zeit rennt einem davon und man will die Monate eigentlich nur noch aufhalten.

Was hat dir besonders gut gefallen?

Das Multikulturelle der Stadt hat mir sehr gefallen. Menschen aus aller Welt kommen zusammen, ihre Kulturen, Sitten und Ansichten, so verschieden, wie ihre Länder und Hautfarben, trotzdem lebt man harmonisch miteinander.

 

Schule in Kanada war auch etwas Besonderes. Nicht nur, dass man wesentlich mehr Fächer zur Auswahl hat, auch an den Sportveranstaltungen nachmittags oder an den Clubs nehmen die Schüler mit so viel Begeisterung und Engagement teil, dass Schule gleich viel mehr Spaß macht. Es gibt Veranstaltungen und Feste, die von Lehrern oder auch nur den Schüler selbst organisiert werden, so dass eigentlich jeden Monat mindestens eine Theateraufführung, Kunstausstellung oder auch eine Modenschau statt findet.

Die Fächer sind vom Standard her schon etwas einfacher als in Deutschland, so dass man in Klassenstufe 11 hier eher dem Grade 12 Niveau der Kurse dort entspricht. Schulisch gesehen war das Jahr also eher entspannt, aber langweilig wurde es garantiert nie.

Wie sieht ein typischer Schultag aus? War es leicht, Klassenkamerad/innen kennen zu lernen?

Ein typischer Schultag beginnt damit, dass man sich möglichst um zirka 8:30 im Schulgebäude befinden sollte – hat man jedoch Unterricht im obersten Stock, im ungünstigsten Fall zum Beispiel Mathe, und muss man vorher dann auch noch zu seinem „Locker“ um seine Schulbücher und seine Jacke abzulegen, dann kann es schon einmal passieren, dass man als verspätet eingetragen wird, wenn man nicht pünktlich mit dem Klingeln um 8:35 im Klassenzimmer steht. Meistens sind die Lehrer aber selbst noch relativ verschlafen und kommen manchmal auch erstmal 10 Minuten später zum Unterricht, mit der Kaffeetasse in der Hand. Die 80 Minuten Blöcke kommen einem anfangs sehr lang vor, aber nach einer Weile ist es sehr angenehm, ein bisschen mehr Zeit im Unterricht zu haben, so dass das Klima allgemein sehr viel entspannter ist als bei uns in Deutschland.

In Vancouver hat man 2 abwechselnde Unterrichtstage mit jeweils 4 Stunden, so hatte ich zum Beispiel Mathe, Social Studies, English und Comp Civ, aber auch Drama, Psychology, Textiles und Foods. Das Fächerangebot ist sehr vielfältig und mir persönlich hat es Spaß gemacht, neben den normalen (akademischen) Fächern, auch mal etwas anderes auszuprobieren, um so Schule aus einer ganz anderen Perspektive kennen lernen –ja, sogar genießen- zu können.

Andere Mitschüler trifft man sehr schnell, aber nur von allein kommt auch nicht jeder auf dich zu, denn natürlich haben die Meisten ihren eigenen festen Freundeskreis und sind nicht gerade „auf der Suche“ nach neuen Freunden –nicht so wie du.

Andere deutsche Austauschschüler auf der Schule zu haben, hört sich erstmal beruhigend an – klar ist es zu Anfang leichter, sich auf deutsch zu unterhalten, als sich zu integrieren – aber letztendlich macht man ein Austauschjahr, um englisch und nicht um deutsch zu lernen.

Leben in der Gastfamilie oder im Internat: Was ist ganz anders als zu Hause?

Je nachdem in welcher Gastfamilie man landet, kann man sich sehr sehr zuhause, aber auch fremd und ungewohnt fühlen. Ich war zu Anfang in einer Gastfamilie, die zuerst perfekt für mich zu sein schien, aber nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass die Familie zwar sehr nett, aber nicht die richtige für mich war. Nie habe ich mich wirklich als Teil, als Mitglied der Familie gefühlt. Dennoch wollte ich mir eigentlich nicht eingestehen, dass ein Wechsel vielleicht besser wäre. Auch nachdem mir von den verschiedensten Ecken - von meinen kanadischen Freunden bis GLS – geraten wurde, zu wechseln, wollte ich das Gespräch immer wieder herauszögern, mir noch mehr Mühe geben – einfach nicht aufgeben. Alles war eigentlich eher meine Schuld: ich hatte wieder vergessen, das Telefon zurück auf die Station zu stellen, ich hatte zu spät angerufen, all solche Kleinigkeiten wurden auf einmal riesengroß. So sah ich das jedenfalls damals. Im Endeffekt wurde mir dann kurz vor Weihnachten mitgeteilt, dass meine Gastmutter wieder zu arbeiten anfangen wollte, sie also somit kein „Homestay“ mehr betreiben wollten und ich bis zu den Ferien eine neue Familie haben sollte. Das war dann sozusagen Glück im Unglück, hat mir aber eigentlich nur verdeutlicht, dass die Familie tatsächlich nicht richtig für mich war.

Als ich nach einigem Suchen meine neuen Gasteltern kennen lernte und ich dann im Januar in das große blaue Haus 62nd Ecke Laburnum einzog, mit seinen zwei Katzen, dem Hund, Vögeln, zwei weiteren Gastgeschwistern und noch anderen Austauschschülern, und ich sofort nicht nur in das gemütliche Haus, sondern tatsächlich auch in die Familie aufgenommen wurde, war mir klar, wie solch ein Austausch mit der richtigen Gastfamilie eigentlich aussehen kann.

Ich hatte lange probiert mich in meine erste Gastfamilie zu integrieren, aber wenn man nach einiger Zeit, nachdem man es jedoch wirklich versucht hat, einfach merkt, dass es nicht geht, dann sollte man sich auf gar keinen Fall davor scheuen, die Familie zu wechseln. Das ist kein Aufgeben, sonder nur gesund – für alle Beteiligten.

Am Ende vergaß ich zwar immer noch, das Telefon auf die Station zurückzustellen, wurde dann mit warnendem Ton als „Miss Alexandra....“ herunterbestellt, stand dann aber nicht mit der Angst, jetzt doch rausgeschmissen zu werden, vor meiner Gastmutter, sondern meckerte genauso zurück, wie ich es mit meiner eigenen Mutter manchmal tue.

Wie hast du die außerschulische Zeit verbracht?

Meistens sind wir nach der Schule noch in den kleinen Bezirk Kerrisdale gegangen und haben erstmal (nicht überteuerten) Starbucks-Kaffee getrunken, dann ging’s nach Hause, Hausaufgaben wurden gemacht (denn ja, auch diese Plage gibt es in Kanada), dann gab’s auch schon bald Abendessen und danach wurde meist zusammen mit der ganzen Familie vor dem Fernseher mitgesungen, wenn wieder mal „So you think you can dance“ lief – eine der vielen unsinnigen Shows, die die Nordamerikaner so lieben und für die ich, dank meiner impulsiven Familie, eine richtige Leidenschaft entwickelte, peinlicherweise.

Außerdem gab es immer wieder Clubs oder Sportveranstaltungen am Nachmittag oder man ist mal wieder nach Downtown gefahren.

Im Winter kann man sehr gut Ski und Snowboard fahren, im Sommer geht’s nach der Schule an den Strand. Am Wochenende sind Home- oder Strandparties, man kann ins Kino gehen oder auf andere Weise in Downtown die Zeit vertreiben – nur das richtige Ausgehen ist einem verwehrt, denn Alkohol und Eintritt in Bars und Clubs gibt’s leider erst ab 19.

 

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