High School Südafrika: Erfahrungsberichte

Vorname:
Olaf
Alter:
17
aus:
Neustrelitz
Schultyp:
Staatliche Schule

Hier der Bericht von Olaf:

Nicht das Aussehen einer Gegend ist entscheidend, sondern die Menschen, die dort leben!

Die Entscheidung für ein Jahr nach Südafrika zu gehen habe ich gefällt, nachdem ich im Jahr 2004 mit einem Freund für zwei Wochen nach England gefahren bin. Während dieser Zeit lebten wir bei einer Gastfamilie und besuchten eine Sprachenschule. Dort gefiel es mir sehr gut und ich merkte auch, dass ich mich auf Englisch einigermaßen unterhalten konnte. Dann entschloss ich mich für ein Jahr ins Ausland zu gehen, jedoch wollte ich ein Abenteuer erleben und in ein exotisches Land fahren – meine Wahl fiel auf Südafrika. Ich hatte von Südafrika immer nur als Regenbogennation gehört und gedacht, dass dort alle Menschen friedlich und ohne Vorurteile nebeneinander leben würden. Mir war klar, dass ich mit etwas ärmeren Menschen zusammenleben würde und gerade das wollte ich erleben.

Als ich dann meinen Verwandten, Bekannten und Freunden von meinen Plänen erzählte stieß dies auf ein geteiltes Echo. Einige fanden die Idee super und beneideten mich um die wunderschöne Landschaft, Safaris und die Nähe zum Meer. Die meisten waren jedoch mehr oder weniger schockiert: „Die Kriminalität ist dort doch so hoch und viele haben Aids und dort willst du weit weg von zu Hause für ein Jahr leben?“

Trotzdem flog ich im Sommer 2005 los. Es war schon ein komisches Gefühl im Flugzeug zu sitzen und alle Leute, die man kennt, hinter sich zu lassen. Ich wusste nicht so richtig was kommen würde…

Nach der 3-tägigen Orientierungsveranstaltung kam ich dann zu meiner Familie. Meine Gastfamilie bestand aus meiner Gastmutter, ihrem Vater und ihrem Sohn. Ich lebte in Mitchell’s Plain, Rocklands. Dies ist ein Suburb von Kapstadt und eine Gegend in der hauptsächlich Coloureds wohnen. Am Anfang war es ungewohnt in solch einem kleinen Haus zu wohnen. Außerdem habe ich in Deutschland seit der 3. Klasse mein eigenes Zimmer und dort musste ich mir mit meinem Gastbruder ein Zimmer teilen, in welches nicht viel mehr als 2 Betten und ein Schrank passt. Meine „neue Familie“ war im allgemeinem sehr ruhig, aber dies störte mich nicht, weil die Nachbarn umso kontaktfreudiger waren.

An meinem ersten Schultag hatte es sehr stark geregnet und ich war sehr aufgeregt meine neue Klasse kennen zu lernen. Das Schulgebäude sah von außen schon sehr abenteuerlich aus; kaputte Fenster, viel Müll auf dem Schulgelände usw. Nach einem Gespräch mit dem Direktor wurde mir eine Klasse zugewiesen. Nach ein paar Tagen hatte ich dann auch die komplette Schuluniform und ich fühlte mich richtig als Teil der Schule. Innerhalb von einer Woche kannten mich die meisten Schüler an der Schule. Die ersten 2 Wochen fühlte ich mich wie ein „Superstar“, weil so viele Schüler mit mir reden wollten und mein Name durch die Flure gerufen wurde, wenn sie mich sahen. Zum Glück legte sich das als sie sich an mich gewöhnt hatten. Der Schultag begann jeden Tag mit einer Versammlung. Dort mussten die Schüler auf ihren Mappen sitzen, es wurde gebetet und die Lehrer informierten uns über mehr oder weniger wichtige Dinge. Danach hatten wir eine Art Klassenleiter- bzw. Vorbereitungsstunde, in welcher jedoch nichts anderes gemacht wurde als die Hausaufgaben von anderen Schülern abzuschreiben. Die Schule ist recht einfach, zumal das Unterrichtstempo sehr langsam ist, es keine mündliche Mitarbeit gibt und das Schulsystem vor allem auf Auswendiglernen basiert. Die Lehrer waren mir gegenüber immer sehr hilfsbereit und erkundigten sich wie es mir geht. Eine Lehrerin brachte mir sogar die Grundlagen der Buchhaltung in den Schulpausen bei.

Vor allem in der Schule wurde ich hin und wieder auf unsere geschichtliche Vergangenheit angesprochen. Hitler wird dort gar nicht als so schlimm empfunden und einige (wohl bemerkt Farbige) meinten sogar, dass sie ihn mögen. Anhand ihrer Aussagen merkte ich schnell, dass sie von diesem Thema keine Ahnung haben. Dies liegt auch daran, weil Geschichte ab der 10. Klasse in Südafrika kein Pflichtfach ist. Auch wenn man auf die aktuelle Politik zu sprechen kommt wettern die Coloureds sehr gegen die Schwarzen. Zur Zeit der Apartheid war das politische System so aufgebaut, dass zuerst mit großem Abstand die Weißen kamen, dann die Coloureds und zuletzt die Schwarzen. Den neuen demokratischen Staat empfinden sie auch als ungerecht, weil die Reihenfolge sich einfach umgedreht hat. Die „weiße Regierung“ hat die Interessen der Weißen vertreten und die „schwarze Regierung“ vertritt natürlich die Interessen der Schwarzen. Durch den gesamten geschichtlichen Hintergrund ist derzeit der größte Teil der Wirtschaft in der Hand von Weißen und die Schwarzen haben die politische Macht. Dadurch haben die Coloureds sehr wenig im Staat zu sagen. Des Weiteren wurde ich mehrmals darauf hingewiesen, dass aus der Geschichte hervorgeht, dass die Provinz Western Cape zu erst von Coloureds bewohnt wurde und dass alle weißen und schwarzen Menschen in diese Region eingewandert sind. Eine farbige Frau mit der ich sprach meinte sogar, dass sie die Apartheid besser fand, weil dort alles seine Ordnung hatte und alles deutlich sauberer war – so kann man es natürlich auch nicht sehen.

Meine Nachbarn waren mir gegenüber immer sehr freundlich und offen. Sie wollten vor allem ständig, dass ich etwas bei ihnen esse – das kann man ihnen auch nur ganz schwer abschlagen. Der Vorteil wenn man viele Familien kennt ist, dass man familiäre Unterschiede sieht, die man zuerst als kulturelle Unterschiede wahrgenommen hat. Eines Tages wurde ich von der Familie eines Schulfreundes zum Mittagessen eingeladen. Nach diesem Tag gehörte ich praktisch auch zu ihrer Familie und ich konnte sie besuchen wann immer ich wollte. Sie waren Moslems und ihr Sohn Nadeem nahm mich ein paar Mal mit zur Moschee. Außerdem nahmen sie mich mit zu einer muslimischen Hochzeit. Dort waren doch tatsächlich 200 Gäste geladen. Für die Feierlichkeit wurde so eine Art Stadthalle gemietet. Es war das erste mal, dass ich Kontakt zu Moslems hatte und sie zeigten mir viele interessante religiöse Unterschiede. Außerdem absolvierte ich zwei freiwillige Praktika. Auch dort gehörte ich nach einer Woche zum Freundeskreis des Chefs.

In den Sommerferien im Dezember konnten alle Austauschschüler optional eine 3-wöchige Tour unternehmen. Sie verlief von Südafrika, durch Namibia, Botswana und endete schließlich bei den Viktoria Fällen in Simbabwe. Auch wenn einiges schief ging und wir einige Pannen bei der Tour hatten war dieser Ausflug doch sehr erlebnisreich für mich. Wir fuhren durch die Wüstenlandschaft Namibias, das grüne Botswana und schließlich ins arme Simbabwe. Am Schönsten war für mich das Kanu fahren auf dem Oranje Fluss, eine geführte Wüstentour und der Flug mit einem Ultraleichtflugzeug über die Victoriafälle. Man darf auch nicht vergessen, dass die meisten von uns diese Orte nie wieder sehen werden. Außerdem war ich noch für je eine Woche in Oudtshoorn, Knysna, Durban und Johannesburg. Dort sah ich andere interessante Gegenden Südafrikas.

Seit ich zurück bin sehe ich meine Heimatstadt Neustrelitz mit ganz anderen Augen. Mir ist nie aufgefallen wie sauber und grün es hier ist. Leute, die nach Südafrika gehen, sollten vor allem flexibel und anpassungsfähig sein. Man sollte auch nicht hochnäsig sein und sich als etwas Besseres sehen. Meine Nachbarin meinte immer: “Just go with the flow!“ Für mich war das Jahr auf jeden Fall ein voller Erfolg!

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