Auslandsjahr High School: Erfahrungsberichte & Forum
Hier findest du Erfahrungsberichte zum Thema Schüleraustausch in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich, Spanien etc ...
Hier der Bericht von Stefanie:
- Vorname:
- Stefanie
- Alter:
- 19
- aus:
- Berlin
- Schultyp:
- Staatliche Schule
Mit år i Danmark
„Dänemark?“, wurde ich immer wieder gefragt, „was willst du denn da?“. Schwer nachvollziehbar war die Wahl meines Aufenthaltslandes für die meisten, denn Dänemark klingt nicht so exotisch wie Brasilien und nicht so cool wie USA. Erschreckend wenig wissen wir Deutschen von unseren Nachbarn im Norden und vielleicht ist das gerade das Spannendste an einem Jahr dort: die Tatsache, dass man keine Vorurteile, kein vorgeprägtes Bild im Kopf hat. Vielleicht ist es auch die Sprache, die trotz der Verwandtschaft mit unserer eigenen fremd und irgendwie märchenhaft anmutet, die mich lockte.
Bei meiner Bewerbung hatte ich angegeben, dass ich gern in einer größeren Stadt platziert werden würde, obwohl ich wusste, dass dies selten klappt. Doch tatsächlich bekam ich eine Gastfamilie in Aalborg, der viertgrößten Stadt Dänemarks mit 165 000 Einwohnern. Mein Stadtteil Hasseris lag am Stadtrand und war eines der etwas schickeren Viertel - ich war faktisch in der Schule schon ein Exot, weil ich nicht in High-Heels durch die Gänge stolzierte.
Was das Kommunikative betrifft, fühlte ich mich vor Beginn meiner Reise recht sicher. Immerhin hatte ich zwei Volkshochschulkurse belegt und gelernt, wie ich ein Ferienhaus miete und den Weg zum Strand erfragte. Dass gerade diese Art der Information wenig von Nutzen sein würde, war mir noch nicht klar. Doch als ich nach einer zehnstündigen Busfahrt, gefüllt mit den Eindrücken eines dramatischen, tränenreichen Abschieds von Familie und Freunden, in Aalborg, der Hauptstadt Nordjütlands ankam und mit meiner Gastfamilie im Auto auf dem Weg zu meinem neuen Zuhause war, begann ich mich zu wundern, ob ich den falschen Volkshochschulkurs belegt hatte, denn diese Sprache hatte ich noch nie gehört – bis mir klar wurde, dass das mir bekannte Dänisch die um einiges langsamere Version war.
Das Dänische ist aber, obwohl es sehr verwirrend klingt, für einen Deutschen nicht allzu schwierig zu erlernen, da es dem Deutschen sehr ähnlich ist, vor allem was das Vokabular betrifft, und auch, weil die Grammatik sehr simpel gestrickt ist. Nach ein paar Monaten konnte ich in der Schule jede Hausaufgabe machen und alle Tests mitschreiben Ja, am Schluss durfte ich sogar sowohl am mündlichen als auch am schriftlichen Examen erfolgreich teilnehmen.
In der ersten Zeit war das jedoch noch nicht so wichtig, denn ich durfte zunächst in Englisch kommunizieren, was zumindest für die auf diesem Gebiet recht bewanderten Dänen kein Problem darstellte. Meine Familie nahm nicht nur in dieser Hinsicht sehr viel Rücksicht auf mich. Aufgrund meiner Abneigung gegen Fisch beschränkte sich die Familie darauf, diesen nur zu essen, wenn ich nicht zu Hause war. Als meine Gastmutter bemerkte, wie sehr ich dänische Rote Grütze („rødgrød med fløde”, der Zungenbrecher, den jeder Ausländer ständig aussprechen muss) liebte, kaufte sie eine ganze Palette davon nur für mich.
All diese kleinen Gesten sorgten immer mehr dafür, dass ich mich wie zu Hause fühlte. Diese so herzliche Familie bestand aus einem Gastvater und einer Gastmutter, beides Ärzte, und meinen Gastgeschwistern Freja und Anders, die beide cirka in meinem Alter waren, außerdem aus drei völlig verrückten Katzen. Wenn es mir (als Einzelkind) einmal zu bunt wurde, hatte ich mein eigenes kleines Reich. Noch dazu war die Heimat nie fern – ich konnte jederzeit mit meiner Familie in Berlin telefonieren und hatte auch deutsches Fernsehen. Auch sprach ich manchmal und mit der Zeit immer häufiger Deutsch mit meinen Geschwistern, vorzugsweise, wenn die Gasteltern uns nicht verstehen sollten. Wir drei Kinder waren bald ein eingeschworenes Team, meine Gastschwester und ich waren zum Beispiel immer sehr bestrebt, unseren ein Jahr jüngeren Gastbruder zu erziehen.
In der Schule war das Kontakte knüpfen um einiges schwieriger. Wie ich vorher gewarnt wurde, strotzen die Dänen wie alle Skandinavier nicht gerade vor Emotionalität und Offenheit. Es dauerte ein bisschen, bis ich in meiner Klasse ein paar Bezugspersonen hatte und bis dahin war die Schule der schwierigste Part meines Aufenthalts.
Als ich etwa im Oktober begann, nur noch Dänisch zu sprechen, erleichterte dies natürlich die Kontaktaufnahme und Integration und die meisten entdeckten nun erst, dass ich ein ganz normaler Mensch war. Die Freundschaft mit den Leuten in meiner Klasse festigte sich etwas mehr und gipfelte dann in einer Klassenfahrt im März, die zufällig nach Berlin ging! Es war auf jeden Fall eine sehr spannende Erfahrung, die eigene Stadt als Tourist zu besuchen und dort sogar im Hotel zu wohnen.
Der Unterricht selbst ist in Dänemark etwas anders als hier. Die dänische „folkeskole“ geht von der ersten bis zur 9./ bzw. 10. Klasse. Erst in den folgenden drei Jahren geht man auf das Gymnasium, wo man sich damals noch zwischen dem sprachlichen und dem mathematischen Abitur entscheiden konnte, wobei das Sprachliche um einiges einfacher war. Ich selbst wurde zum Glück ein „Sproglig“ (= ein Sprachlicher) des zwölften Jahrgangs und hatte deshalb nicht allzu viel Schulstress. Kurz nach meiner Abreise wurde das Gymnasium aber reformiert.
Nun sind die Studienrichtungen um ein Vielfaches differenzierter (z.B. musisch-künstlerisch oder gesellschaftswissenschaftlich). Inzwischen muss auch jeder Schüler Mathematik belegen, wohingegen ich nur die Light-Version „Naturfag“, eine sehr simple Mischung aus Mathe, Physik und Chemie, zu bewältigen hatte.
Eine dänische Unterrichtsstunde geht 95 Minuten, oft mit einer kurzen Pause zwischendurch. Dementsprechend hat man nur zwei bis vier verschiedene Fächer am Tag und ist spätestens um 14 Uhr fertig. Zu meiner Zeit gab es in Dänemark weder Klausuren noch Tests, man schreibt stattdessen zu Hause so genannte Abgaben („afleveringer“), zum Beispiel Essays in Englisch, Analysen in Dänisch oder Aufgaben in Mathe. Dänische Klassen sind relativ klein (wir waren 19). Wie überall duzt man sich auch mit den Lehrern. Einmal wagte ich es, eine sehr alte Frau im Bus zu siezen, bereute es aber schnell, als sie mich fast anschrie. Eigentlich siezt man in Dänemark nur die Königin.
Das Königshaus ist ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt. Ich selbst hatte das Glück, dass während meines Aufenthalts der Kronprinz Frederik die Australierin Mary heiratete. Zu dieser Zeit stand das Land Kopf. Wir hatten schulfrei und beobachteten das Geschehen im Amalienborger Schloss im Fernsehen, während wir festlich aßen.
Zum Schulalltag in Dänemark gehörten auch regelmäßige Schulfeste mit bestimmten Themen, so ein Faschingsfest oder im Sommer ein Galafest. Ansonsten lesen dänische Jugendliche fast alle täglich Zeitung und reisen viel. Meine Klassenkameraden waren dann auch vor allem nach der Klassenfahrt recht fasziniert vom Großstadtleben.
Trotz allem waren meine Gastgeschwister das ganze Jahr meine wichtigsten Bezugspunkte. Ich hatte unheimliches Glück, denn sie nahmen mich auf wie ein ganz normales Familienmitglied und wir hatten wahnsinnig viel Spaß zusammen. Noch heute besuchen wir uns regelmäßig und telefonieren ungefähr einmal in der Woche. Heimweh hatte ich in dieser Gesellschaft eher weniger. Ich versuchte auch meine Zeit auszufüllen mit dänischer Kultur und dänischem Leben.
In einen Volleyballverein trat ich ein, was mir auch wieder ein paar Kontakte verschaffte. Ich war oft am Wochenende auf Turnieren und lernte so auch die Dörfer in Aalborgs Umgebung kennen.
Außerdem schaffte ich es, mir auf Frejas Drängen alle 24 Teile einer Filmreihe über dänische Geschichte namens Matador anzusehen.
Im Laufe dieses Jahres lernte ich viel über ein kleines, wenig beachtetes Land, welches meiner Meinung nach viel Charme hat mit seiner ganz eigenen Mentalität und Tradition. Es hat sich zweifellos gelohnt.