Auslandsjahr High School: Erfahrungsberichte & Forum

Hier findest du Erfahrungsberichte zum Thema Schüleraustausch in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich, Spanien etc ...

Vorname:
Benny
Alter:
18
aus:
Saarbrücken
Schultyp:
Staatliche Schule

Hier der Bericht von Benny:

Liebes GLS-Team,

mittlerweile bin ich schon genau einen Monat hier oben, im schönen Finnland. Ich fühle mich so wohl wie man sich nur fühlen kann, wenn man an einem so wunderschönen Ort lebt und auch gerade 18 geworden ist.

Sie glauben ja nicht, wie dankbar ich Ihnen allen bin, nun meinen Aufenthalt im schönsten Ecken Europas (neben Deutschland) verbringen zu können. Besonders für ihre telefonische Verfügbarkeit, die zahlreichen hilfreichen Telefonate, ihre Vermittlung an den letzten Tagen und die Organisierung einer super tollen Übergangsfamilie, sowie für die Arbeit von Frau Marquordt, von Spracherlebnis (Saarland), danke ich ihnen herzlich.

So langsam schleicht sich der Alltag ein, aber deswegen bin ich ja hier her gekommen, um den finnischen Alltag zu erleben. Auch wenn meine Gastfamilie sich plötzlich dazu entschieden hat, mich aufzunehmen, so hätten Sie keine Bessere für mich finden können. Seit ich hier bin, haben sie schon so viel mit mir unternommen. Z.B. waren wir auf Suomenlinna, in Savonlinna und haben ein Wochenende im Sommerhaus verbracht... Mittlerweile habe ich die finnische Seen- und Waldlandschaft lieben gelernt und kann mir nicht mehr vorstellen, ohne sie zu leben. Finnen sind ständig auf Tour, jedes Wochenende ist etwas Neues geplant.

Die Partnerorganisation STS Finnland ist definitiv eine der besten Organisationen, die man in seinem Austauschland nur haben kann. Mein Betreuer hier und auch die Anderen von STS schienen mir direkt vertrauenswürdig und überaus nett zu sein. Was ich auch genial fand, war die Idee, etwas im kleinen Kreise zu unternehmen. Letzten Sonntag sind schließlich 3 Betreuer von STS mit uns vier Austauschschülern in Helsinki in's Kino gegangen, anschließend wurden wir in eine Privatwohnung eingeladen. War also sehr persönlich, man hat sich sofort wohlgefühlt bei denen. Und am 24.09. haben sie einen ganzen Tag für uns geplant.

Zu Finnland muss ich sagen, dass es so schön ist, wie ich es mir vorgestellt habe, nur noch tausendmal besser! In Deutschland hat man kein richtiges Bild von den Finnen. Zumindest nicht Eins, was der Wahrheit entspricht.

Ich habe zwar schon viel Positives über das Schulsystem gehört, aber das es so gut sein würde, hätte ich nicht gedacht. Es macht zum ersten Mal richtig Spaß, in die Schule zu gehen oder sogar im Matheunterricht zu sitzen! Hab mich hier schnell eingelebt und wurde auch sehr schnell an der Schule integriert, der Einstieg wurde mir also leicht gemacht. Leider oder vielleicht glücklicherweise bin ich der einzige Austauschschüler an meiner Schule. Die Lehrer sind über alle Maße nett, man duzt sich und sie stehen wie Freunde immer zu persönlichen Gesprächen zur Verfügung.

Für die erste Periode hab ich 4 Kurse gewählt. Englisch, Deutsch, Kunst und Mathe. Sind also alles Fächer, in denen ich mitarbeiten kann. 20 Wochenstunden habe ich insgesamt, aber im finnischen Schulsystem legt man keinen Wert auf die Anzahl der Wochenstunden. In Deutschland hätte ich knapp 40 in der 11. Klasse gehabt. Ich wurde auch schon mal gefragt, wieso Finnland dann besser als Deutschland bei PISA abgeschnitten hätte, wenn wir doch viel mehr lernen. Was mich auch beeindruckt hat, war zu hören, dass man sich in Finnland ebenso sehr gefreut hätte, wenn Deutschland Platz 1 der PISA-Studie belegt hätte. Man wäre trotzdem auf sein Schul- und Bildungssystem stolz gewesen und hätte es nicht geändert. Schule unterscheidet sich hier in allen Punkten und hat kaum eine Ähnlichkeit mit der deutschen. Mein Englischkurs z.B. ist sehr anspruchsvoll, macht aber viel mehr Spaß als an meiner deutschen Schule. Der Unterricht ist da komplett in Englisch und ich hab schon die ersten guten Noten zurück.

Zum Beispiel sollten wir in einer Stunde Aufsätze zu bestimmten Themen schreiben. Mein Thema lautete: "Wie hat der Terrorismus die Welt verändert?" Gar nicht leicht, zumal man darüber Bücher schreiben könnte. Nun ich bekam 97/99 Punkte, war also einer der besten Aufsätze. Ich schreib das eigentlich nur, weil ich selbst stolz darauf bin, wie leistungsbereit ich hier wurde.

Das ganze Schulklima und das Lernumfeld wirkt sich enorm darauf aus. Und an finnischen Schulen kann man sich wirklich wohlfühlen. Ich bin auch gerne mal bis 16 Uhr in der Schule. In Deutschland fehlen einfach diese Morgenandachten, bei denen immer Musik durch die Lautsprecher gespielt wird und danach Wichtiges erwähnt wird, wie die Erfolge bestimmter Schüler oder so.

Auch Mittags gibt es immer kostenlos ein warmes Essen für alle Schüler. Hat bisher immer gut geschmeckt. Dann gibt es noch diese exzellente Ausstattung. Den Lehrern stehen wirklich alle Mittel zur Verfügung. An die Tafel schreibt man kaum mehr, dafür gibt es ja Beamer, die alles an die Wand strahlen.

Der Deutschunterricht ist natürlich alles andere als schwer für mich, doch so lerne ich ein wenig Finnisch und helfe den Anderen, Deutsch zu lernen. Es ist sehr interessant zu wissen, wo die Lernschwierigkeiten für Nicht-Deutschsprachige liegen und wie man es ihnen beibringt. Meine Lehrerin ist begeistert davon, wie ich allen helfe. Unser Kurs umfasst nur 10 Schüler/innen, auch in anderen Kursen sind es kaum mehr als 20. Ich musste schon oft Fragen über Goethe beantworten oder erzählen, worum es in der Loreley geht. Natürlich lese ich immer die deutschen Texte vor. Man hat mich auch mal gefragt, ob es sich nicht komisch anhören würde, wenn Finnen Deutsch sprechen. Dabei finde ich, dass sie mit ihrer schweren Muttersprache den besten Zugang zu Fremdsprachen haben.

Das was die Finnen am Besten über andere Länder wissen, sind die Namen bekannter Skispringer und anderer Sportler. Auch wenn man manchmal vielleicht nicht mehr über ein Land weiß, so kennen sie die Namen auswendig. Interessant war es auch für Finnen, zu wissen, ob ich Finnisch für schwer oder unmöglich zu lernen halte. Na ja, mein Finnisch hat sich verbessert seitdem ich hier bin. Oft ist es eher das Wechseln in den Sprachen Englisch-Finnisch-Deutsch, was mich in der Spracherlernung hemmt.

Meine Gastfamilie versteht nämlich auch ein paar Worte Deutsch und glaubt durch mich, ihr Deutsch verbessern zu können. Dabei will ich gar kein Deutsch mit ihnen reden und auch das Englisch mal reduzieren. Jeden Tag fängt man mehr Wörter auf und auch im Unterricht verstehe ich meistens zumindest etwas. Manche Lehrer sind leichter zu verstehen als Andere. Leider kann man die komplizierte Grammatik durch's Hören nicht lernen, somit versteht man immer mehr Finnisch, als man selbst sagen kann. Der Sprachkurs beginnt aber nächste oder übernächste Woche.

Ich bin so froh, nach Vantaa gekommen zu sein. Der Ort ist schön ruhig und in 20 Minuten ist man mit dem Zug in Helsinki City.

In Deutschland hat mich jedoch niemand so gut darauf vorbereitet, wie schüchtern die Finnen wirklich sind. Es fällt sehr schwer, Freunde zu finden, auch wenn fast Jeder sehr gut Englisch spricht. Man muss immer wieder auf sie zugehen und darf nie locker lassen. Smalltalks kennt man hier auch nicht, die das Kennen lernen erleichtern würden. Früher war ich immer sehr verschlossen und bin selten auf Leute zugegangen, doch schon jetzt merke ich, wie ich mich positiv verändere. Es ist kein Problem mehr, auf fremde Menschen zuzugehen und sich dabei voll und ganz auf Fremdsprachen zu verlassen. Mittlerweile kenne ich ein paar Finnen/Finninnen, mit denen man reden kann. Jedoch habe ich noch nichts mit ihnen in der Freizeit unternommen, das kommt bestimmt noch. Gleich in den ersten Tagen wurde ich von einer Finnin für die Ältestentänze (Vanhojen Tanssit) reserviert. Sie war für einen Austausch in Frankreich und da hier wenige Französisch sprechen, war sie froh, einen Deutschen zu finden, der es kann. So schnell ging das. Finnische ehemalige Austauschschüler sind schon kommunikativer und offener. Zu meinem Vorteil. Die meisten Finnen sind sehr daran interessiert, mehr über Deutschland zu erfahren und die Schüler, sowie Lehrer sind immer glücklich, einen Austauschschüler im Kurs zu haben. Man merkt es ihnen nicht direkt an, aber wenn man erstmal in's Gespräch gekommen ist, wird man mit Fragen über die Deutschen nur noch festgehalten.

Mein ältester Gastbruder geht mit mir auf die selbe Schule, ist auch in manchen Kursen von mir. Es ist manchmal nicht leicht, mit meinen drei Gastbrüdern klar zu kommen, da sie komplett verschiedene Interessen als ich haben. Z.B. versteht man es hier kaum, dass ich Fußball nicht mag. Obwohl ich Deutscher bin. Ich muss mein Zimmer auch mit dem Ältesten teilen, was eine ganz schöne Umstellung für mich bedeutet. Privatsphäre musste ich hier ganz schön zurückstecken und das Wort Flexibilität bedeutete von Beginn an sehr viel. Es gibt doch viele kulturelle Unterschiede, auch wenn Finnland ein so fortschrittliches Land ist, dem es im großen und ganzen besser als Deutschland geht. Man isst hier auch viel mehr, aber das finnische Essen ist gesund und schmeckt immer gut. Insgesamt fiel es mir leicht, sich der finnischen Lebensweise anzupassen, da sie naturbezogen und nicht hektisch ist. Ich bin schon sehr "finnisch" geworden und habe fast alles ausprobiert, was finnisch sein könnte. Mehrere Saunagänge mit anschließendem Schwimmen im See mitten in der Nacht, Tagesausflüge zum See und und und....

Für mich hätte es kein besseres Land geben können, in dessen Kultur ich für ein Jahr hätte eintauchen können. Dieser eine Monat kam mir wie eine Ewigkeit vor. Er verging zwar wie im Fluge, aber so viele neue Eindrücke und Erfahrungen habe ich noch nie zuvor in der Zeit gesammelt. Acht Stunden Schlaf reichen nicht mehr aus, um alles zu verarbeiten, auch am Wochenende fühle ich mich nach 12 Stunden Schlaf noch müde...

So, das war's erstmal von mir. Wurde ein bisschen viel jetzt. Doch es war eine kurze Zusammenfassung, von dem was euch interessieren könnte. Zwar ist es nur ein Bruchteil dessen, was ich euch hätte schreiben können, schließlich umfasst mein Tagebuch schon 30 getippte Seiten, hoffe aber, dass es weiterhilft.

Viele, liebe Grüße aus dem hohen Norden Europas!!

Benny Morr

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