Auslandsjahr High School: Erfahrungsberichte & Forum

Hier findest du Erfahrungsberichte zum Thema Schüleraustausch in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich, Spanien etc ...

Hier der Bericht von Christian:

Vorname:
Christian
Alter:
16
aus:
Wuppertal
Schultyp:
Staatliche Schule mit Wahl

Mein Highschool-Jahr in Edmonton, AB, Kanada

Die Victoria Composite High School (VIC) ist wohl die älteste Schule in Edmonton, aber das alte verwinkelte, und selbst für kanadische High School Verhältnisse große Gebäude macht die Schule einmalig. Lange Gänge mit Wandmalereien welche Landschaften und Filmszenen zeigen, oder mit Vitrinen, in denen z.B. das T-Shirt des Deutschen Basketballteams ausgestellt ist, das zum letzten Basketballturnier in der Schule kam, und natürlich die Spinde, die wohl in jeder nordamerikanischen Schule zu finden sind. Kunst ist hier an der Schule wirklich sehr wichtig. Jeder hat hier irgendwelche künstlerischen Talente, und wenn man einen Film für den Videounterricht, oder Fotos für die Fotografieklasse macht, kann man beinahe jeden (unbekannten) Schüler dazu bekommen, eine Rolle zu spielen oder für ein Foto zu modeln.

Das Kunstprogramm der Schule ist aber auch großartig, hier kann man alles von Töpfern zu Stepptanzen, oder Webdesign zu Filmproduktion lernen. Auch Theater, Chor und Orchester stehen zur Auswahl, und auf der schuleigenen, professionellen Bühne werden die Theaterproduktionen aufgeführt.

Die etwa 2000 Senior High School Schüler sind im größten Flügel der Schule untergebracht, wo hauptsächlich die regulären Fächer wie Mathe und Englisch unterrichtet werden. Vorbei an den Tanzräumen von denen man normalerweise Musik oder das Klackgeräusch der Steppschuhe auf dem Parkettfußboden hört kommt man in den einen langen Gang, in dem in Räumen von allen Formen und Größen die Kunst- und Computerklassen untergebracht sind. Hier gibt es eine alte Autowerkstatt, die nun zum Fernsehstudio umfunktioniert wurde, oder den Orchesterraum, aus welchem Musik von Klassik zu Jazz und Filmmusik zu hören ist. Ein weiterer Kunstraum und die Töpferwerkstatt der Schule sind in einem kleinen Gebäude neben dem Hauptgebäude untergebracht.

Wenn man den langen Gängen um einige Windungen folgt, gelangt man in den Teil des Gebäudes, in dem der Kindergarten und die Elementary und Junior High Räume untergebracht sind. Hier sind aber auch ein kleiner Ausstellungsraum, in dem Schülerwerke ausgestellt werden und das Theater zu finden, das am anderen Ende der Schule liegt. Hier ist auch eine der zwei Turnhallen und ein Gang, der zum Bürotrakt der Städtischen Schulverwaltung führt, welche an VIC angeschlossen ist. Außerhalb des Schulgebäudes ist der Sportplatz gelegen, welcher unter anderem auch einen Flussballplatz mit Toren für Fußball und Football und eine Laufbahn hat.

Das kanadische Schulsystem unterscheidet sich stark von dem deutschen. Jeder Lehrer hat seinen eigenen Raum, und die Schüler, nicht die Lehrer, wandern zu den verschiedenen Räumen. Der Unterricht kann, je nach Lehrer, sehr viel frontaler als in Deutschland ablaufen, und das Lerntempo ist, wahrscheinlich auch durch die längeren Schulstunden, deutlich schneller. Das kann aber auch daran liegen, dass die Schüler in verschiedene Leistungsgrade eingeteilt werden, und somit je nach Note in eine andere Klasse kommen. Die Noten werden hier in Prozent gegeben und auf dem Zeugnis, das viermal im Jahr verteilt wird, bekommt man die Note für jedes einzelne Fach und einen Text des Lehrers, der die Leistungen des Schülers näher beschreibt.

Am Anfang des Schuljahres können die Schüler zwischen einer Unmenge an möglichen Kursen wählen, so dass jeder Schüler ein eigens auf ihn abgestimmten Stundenplan erhält. Deshalb hat man auch immer andere Mitschüler in den unterschiedlichen Klassen und bekommt fast automatisch einen großen Freundeskreis.

In der Schule hat jeder Schüler seinen eigenen Spind, in dem man sein Mittagessen und die Schulsachen aufbewahrt. Das ist sehr praktisch, und viele Mädchen bewahren dort auch ihre Spiegel- und Kosmetiksammlung neben unterschiedlichen paar Schuhen und Jacken auf, und verzieren die Tür mit unzähligen Bildern usw. Der Spind kann eine ganze Menge über die Personalität eines jeden Schülers erzählen.

Die Schule liegt nahe dem Zentrum von Edmonton welches am North Saskatchewan River gelegen ist. Der Fluss hat sich tief in die Ebene eingegraben, so dass man von der Kante herabschauen kann und eine Wunderschöne Aussicht auf den zugefrorenen Fluss genießen kann. Die Provinz Alberta gehört zur „Great Plains“ Region, dass heißt, hier ist alles sehr flach. In der Umgebung sind ein paar kleinere Dörfer (z.B. St. Albert), die aber längst nicht an die Größe der knapp eine Million Einwohner Stadt Edmonton heranreichen. In der Stadt Edmonton selber gibt es die größte Mall in Nordamerika, die West Edmonton Mall.

Dort gibt es neben 800 Geschäften und 200 Restaurants auch noch ein Freizeitpark mit zwei Achterbahnen, ein Schwimmbad mit 14 Wasserrutschen, einen ‚Waterpark’ mit drei versenkten U-Booten und einem Piratenschiff und einen Eishockeyplatz. Außerdem gibt es noch ein Dinner Theater, welches ich schon besucht habe, einen Vergnügungspark für Kleinkinder und einen kleinen Golfplatz. Die Mall ist auf jeden Fall ein Highlight der Stadt, dass man sich nicht entgehen lassen sollte.

Der Stadtkern von Edmonton ist mit Hochhäusern ausgefüllt, aber den meisten Raum nehmen die bis weit in Land reichenden Wohngegenden der Stadt ein. Die dem Zentrum näher gelegenen Wohnhäuser sind schon etwas älter (aus dem letzten Jahrhundert) und teilweise kein schöner Anblick, aber je weiter man nach außen kommt desto neuer und auch schöner sind die Wohnhäuser. Ich wohne mit meiner Familie in einer der neueren Siedlungen. Soweit ich Edmonton kenne, ist es eine schöne Stadt, auch wenn mein Gastbruder meint, hier in Kanada gäbe es noch viel schönere.

Die Busse fahren hier entweder alle 15 min oder alle ½ Stunde. Da in den frühen Morgenstunden nur halbstündiger Busverkehr herrscht, bin ich jeden Morgen 35 min vor Schulbeginn in der Schule. Die Zeit nutze ich meistens um Hausaufgaben zu machen, wenn ich mal wieder ein Buch in meinem Locker gelassen habe.

Der Winter in Edmonton ist normalerweise sehr, sehr kalt, und das Thermometer fällt oft unter -30°C. Doch dieses Jahr hat Alberta einen Ausnahmewinter erlebt. Nachdem mir von allen geraten wurde schon frühzeitig warme Kleidung zu kaufen haben wir mit vier Monaten Verspätung erst Mitte Februar kalte Temperaturen und Schneefall bekommen. Zuvor war es unglaublich warm und mit Temperaturen von bis zu +10°C brachen wir alle möglichen Wetterrekorde, und dieser Winter gilt als der wärmste in den letzten 120 Jahren! Zur Zeit ist aber alles in eine etwa 20 cm dicke Schneedecke gedeckt und die Temperaturen sind auf -10°C bis -20°C gefallen.

Einkaufen ist hier auch ein wenig anders. Wir kaufen hier nicht mehrmals die Woche, sondern nur 2mal im Monat ein. Aber dann richtig. Dann fahren wir mit dem Auto zu einem Geschäft wo es das Obst recht günstig gibt. Danach geht’s zu einem Laden, wo man jährlich 50$ für die Mitgliedschaft zahlen muss um den Laden überhaupt betreten zu dürfen. Nach Aussage meines Gastvaters hat man das Geld aber nach zweimal Einkaufen wieder zurück weil in diesem Laden alles so viel günstiger sei. Dann geht es noch zu einem dritten Geschäft in dem es einige Dinge ein wenig günstiger gibt, und der auch eine kleine Auswahl an Kleidung hat.

Danach ist meistens das Auto vom Kofferraum bin in den Fußbereich des Beifahrers voll gestopft mit den unterschiedlichsten Tüten und Kisten. Nachdem die Ladung erst einmal zu Hause abgeliefert und in die Regale und Kühlschränke im Keller und in der Küche eingeräumt ist und ein kleiner Lunch schnell heruntergeschluckt wurde, sind dann alle bereit für den letzten Laden, den „real Superstore“. Da wird dann alles eingekauft was in den Anderen Geschäften grade nicht vorhanden oder nicht im Sonderangebot war. Danach legen wir noch einen Zwischenstopp bei Tim Horton’s ein, wo jeder einen Kaffee und einen Doughnut bekommt und dann geht’s wieder nach Hause.

Nach einer kurzen Kaffeepause wird alles erneut auf den bereits voll gestopften Kühlschrank und in die unterschiedlichsten Schränke und Regale verteilt, so dass man den Eindruck bekommt, die würden bald zusammenbrechen. Oftmals kauft man die Sachen doppelt und dreifach ein, weil man nicht sieht, dass hinter den Suppendosen noch fünf Dosen Fertigravioli stehen.

Das Lehrgut, was hier alles, wo Getränke drin waren, ausgenommen Milch, ist, wird hier nicht in das Geschäft zurück gebracht, in dem es gekauft wurde, sondern bei einer zentralen Sammelstelle abgegeben. Wir bringen normalerweise mehrere große Müllsäcke mit je etwa 80-90 Flaschen, Dosen und sonstigen Getränkeverpackungen zurück. Da die meisten aber nur 5¢ oder 10¢ gibt’s nicht ganz so viel Geld zurück wie in Deutschland.

Auch sonst sind Kanadier eine ganze Ecke anders als die Deutschen. Hier ist es normal mit Schlabberhosen einkaufen zu gehen, und auch die Hausschuhe werden selbst für längere Shoppingtouren benutzt. Auch kennt hier jeder seine Nationalhymne, was ja in Deutschland leider nicht der Fall ist, und Kanadafahnen am eigenen Haus sind auch weitaus mehr verbreitet. Besonders während der Olympischen Winterspiele wurde der Stolz aufs eigene Land deutlich. Hier saß man Stundenlang vorm Fernseher um ja keinen Medaillensieg eines Landsmannes zu verpassen. Doch als das kanadische Eishockeyteam gegen die Russen verlor, hatten viele Kanadier die Nase voll von Olympia, denn Eishockey ist Kanadas Sport, und nahezu jeder Junge hat für einige Zeit Hockey gespielt. In dem kalten Klima in Kanada, mit den furchtbar langen Wintern konnte man ja früher auch nicht viel anderes machen als Schlittschuhlaufen und andere Wintersportarten.

Aber nicht nur der Winter sei hier bemerkenswert, wurde mir erzählt. Im Sommer geht die Sonne nicht vor elf Uhr unter, und bereits um vier, fünf Uhr wird es wieder hell. Deshalb sind die Edmontoner normalerweise die halbe „Nacht“ lang wach, und grillen, trinken mit Nachbarn und haben Spaß.

Doch bis dahin ist es ja noch ein Weilchen hin, und ich werde in der Zwischenzeit wohl noch einiges erleben, von dem ich Ihnen gerne auch berichten werde…

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