Auslandsjahr High School: Erfahrungsberichte & Forum
Hier findest du Erfahrungsberichte zum Thema Schüleraustausch in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Frankreich, Spanien etc ...
Hier der Bericht von Ben:
- Vorname:
- Ben
- Alter:
- 17
- aus:
- Berlin
- war:
- für ein Semester in Mandal, Norwegen
- Schultyp:
- Staatliche Schule
Jetzt bin ich viereinhalb Monate hier und es ist Zeit für einen Erfahrungsbericht:
Ich hab mich eigentlich sehr spontan dazu entschlossen, einen Austausch nach Norwegen zu machen. Ich war einige Male vorher hier und es hat mir immer gefallen. Ursprünglich habe ich mich auch für ein ganzes Schuljahr angemeldet, aber es waren keine Plätze frei. Am letztmöglichen Tag der Anmeldung für ein Halbjahr hab ich dann noch mal das Formular ausgefüllt, allerdings nicht damit gerechnet, dass ich 2 Tage später tatsächlich angerufen werde.
So verging dann die Zeit bis zur Abfahrt rasend schnell. In einer Woche hab ich Interview absolviert und Bewerbungsmappe ausgefüllt, dann gab es noch zwei Monate Schule in Berlin und in den Weihnachtsferien sind wir dann nach Dänemark in den Urlaub gefahren, von wo aus ich mit der Fähre nach Kristiansand kommen sollte.
Am letzten Tag war allerdings ein Wetter, als wenn die Welt untergehen würde. Die Fähre ist also nicht ausgelaufen und ich musste von 12 Uhr mittags bis 2 Uhr morgens auf das nächste Schiff warten. Diese Wartezeit war das schlimmste am ganzen Austausch. Irgendwie bin ich dann aber doch noch hier angekommen.
Jetzt, so ‚halb rückblickend’, muss ich sagen, dass ich mit meiner Gastfamilie sehr zufrieden bin. Ich hab eben eine riesige Gastfamilie mit 6 Geschwistern, wovon allerdings nur noch einer hier wohnt. Meine “Mamma” scheint schon überall gewohnt und alles erlebt zu haben und mein Hostbruder spricht genau so gut Englisch wie ich, obwohl er erst 13 Jahre alt ist.
Obwohl wir extreme unterschiedliche Interessen haben, verstehen wir uns sehr gut: Mein “Bruder” spielt zum Beispiel Klavier, back pipe und fiddle. Ich beschränke mich aufs Musik hören. Dafür hab ich jeden Tag irgendein Sporttraining und meine Gastfamilie wusste nicht mal, dass die WM 2006 in Deutschland ist…
Die norwegische Schule ist auch völlig anders als die Deutsche und egal wie oft ihr es schon gelesen oder gehört habt, ich schreibe es trotzdem noch mal alles.
Ab ca. 16 Jahren geht man auf die vidergående skole – weiterführende Schule. Da absolviert man die Schuljahre 11-13. Man kann hierbei verschiedene Wege gehen. Ich bin zum Beispiel in der idretts linje, was bedeutet, dass ich an 4 Tagen in der Woche die erste Stunde Sport habe. Außerdem hab ich noch treningslære (Sporttheorie), matte (Mathe), engelsk (Englisch), EDB (Informatik), naturfag (Sachkunde), norsk (Norwegisch) und tysk (Deutsch).
Man schreibt nur angesagte Arbeiten von 90 Minuten oder 5 Stunden(!). Das Niveau ist allerdings nicht so hoch, und wenn man in Deutschland auf ein Gymnasium geht, braucht man für die Arbeiten keine 2 Stunden.
Die Schule fängt 8.00 Uhr an und hört 15.00 Uhr auf. Es gibt 4 Stunden pro Tag mit je 90 Minuten und zwischen 2. und 3. Stunde ist eine Essenspause (40 Minuten). Jeder bekommt morgens ein matpakke mit Brot, aber es ist normal, dass man sich etwas in der kantina kauft.
Mit der Klasse unternimmt man außerdem sehr viele Ausflüge. Wir waren Ski laufen (downhill und cross country), Snowboard fahren, in Museen, auf Ausstellungen, bei Sportturnieren und nächste Woche fahren wir nach Dänemark zur Exkursion.
Der ganze Unterricht ist unglaublich locker und als Deutscher kann man sich das eigentlich gar nicht vorstellen. Man kann so gut wie alles machen, was man will:
- Computer spielen (ja, wir haben alle Laptops von der Schule bekommen)
- Lehrer duzen
- Pausen nehmen und rausgehen
- Einfach reden oder singen, schreien, lachen, was auch immer…
Ich kann echt einige Anekdoten erzählen, was wir alles während der Schulzeit gemacht haben…
Aber trotzdem oder gerade deswegen gibt es einen sehr starken Zusammenhalt und ich fühle mich mit der Klasse hier mehr verbunden als mit meiner in Deutschland.
Wenn du dir jetzt überlegst einen Austausch zu machen, aber an das Klischee mit den zurueckhaltenen, humorlosen Norwegern denkst, lass dir gesagt sein, dass das absoluter Quatsch ist. An meinem ersten Schultag kam vor der ersten Stunde jemand auf mich zu, hat mir die Hand gegeben und mir alles gezeigt. Es war sehr einfach für mich, hier Freunde zu finden.
In der Freizeit ist jeder, den ich kenne, in einem Sportverein, von dem es wohl sehr viele geben muss, und da aus meiner Klasse noch 8 Jungen Fußball spielen, gibt es immer harte ‚Kämpfe’ zwischen den Teams.
Norwegisch zu lernen, ist auch nicht so schwer, obwohl es im ersten Monat irgendwie hoffnungslos zu sein scheint. Dazu muss man sagen, dass es in Norwegen sehr, sehr viele Dialekte gibt, die sich auch stark voneinander unterscheiden. Außerdem gibt es mit bokmål und nynorsk zwei Sprachen in einem Land. Hier in der Gegend (Mandal, Kristiansand) verstehe ich zum Beispiel alles ohne Probleme, aber wenn ich im Fernsehen jemanden aus Oslo höre, hab ich starke Probleme.
Alles in allem kann ich jetzt schon – 4 Wochen vor der Abfahrt – auf eine schöne Zeit zurückblicken; allerdings freue ich mich auch wieder zurückzukommen und die WM im eigenen Land zu gucken. Ich hab ein paar Wetten am Laufen, wer Weltmeister wird. Hier glaubt mir keiner, dass es Deutschland wird, obwohl sie sonst eigentlich Ahnung von Fußball haben.
Im Sommer wollen mich auch einige aus der Klasse besuchen kommen und ich bin mir sicher, dass wir in Kontakt bleiben werden. Der MSN Messenger ist ein absolutes Muss hier. Den hat echt jeder. In diesem Sinne: Add me! ben.steinfurth@freenet.de